Hot mit Pott oder ein Lichtstreif mit Sparpotential …

von Nadine Schober

Kultur und Leben 

Klimakrise, Pandemie, Energiekrise – gefühlt befindet sich die ganze Welt inzwischen im Krisenmodus und wir können es wahrscheinlich alle einfach nicht mehr hören. Mit der Erfahrung der Coronakrise dachte ich eigentlich, es könnte nicht mehr schlimmer kommen und langsam ginge es wieder bergauf. Dann kam der Krieg in der Ukraine und es wurde schlimmer …

… und nun zum Ende der Sommerferien wartet schon die nächste Hiobsbotschaft. Statt mit viel Elan in den Berufsalltag zu starten, heißt es beruflich und privat Notfallpläne schmieden – nicht mehr nur wegen der Klimakrise, sondern auch wegen der Gaskrise nach Einsparpotential beim Strom- und Gasverbrauch fahnden. Die kommende Herbst-/Wintersaison könnte ganz schön ungemütlich werden. Ich denke da an kühle Büros, kühle Wohnungen oder womöglich das Zusammenrücken im einzig beheizten Raum im Haus. Natürlich kann man dem Beisammensitzen vor allem um Wärmequellen wie Kamin (wenn man ihn denn hätte) oder Lagerfeuer im Garten auch etwas Positives abgewinnen – zumindest für eine Weile. Doch die ganze Situation zieht einen auf Dauer ganz schön runter. Da brauche ich schon etwas, das mich wieder aufbaut – den strapazierten Lichtstreif am Horizont. Solch einen gibt es manchmal im gemeinsamen Austausch mit meiner Kollegin … und so war es auch diesmal.

Meine Kollegin hat vor nicht allzu langer Zeit in eine Privatsauna investiert – für den Corona-Lockdown ein wahrer Schatz. Ganz besonders so ein privater Saunagang in trauter Ein- oder Zweisamkeit lässt sich jedoch nur mit viel Fantasie mit einem Appell zum Energiesparen in Einklang bringen. Nach Parallelüberlegungen zu weiterem Einsparpotential im eigenen Haushalt, die Themen wie Niedriggarmethoden, den Bau einer Kochkiste, Solarofentestung und das wertvolle Wissen der Kriegs- und Nachkriegsgenerationen im kreativen Umgang mit Mangellagen streifte, erschuf meine Kollegin vor meinen Augen ein Bild von glücklich schwitzenden Saunagänger:innen mit großen Kochtöpfen auf dem Schoß – das ist so schräg, das wird ein neuer Trend dachte ich!

Aber so abwegig uns die Idee zuerst erschien, ist sie dann wohl doch nicht: Die „saunaverrückten“ Finnen sind auf diesem Gebiet, vielleicht naturgemäß, wesentlich weiter, sofern sie es nicht schon immer waren. Die Kulturanthropologin und Autorin Katariina Vuori und der Koch Janne Pekkala haben diese finnische Tradition wiederentdeckt und modern aufgepeppt. Seit 2018 gibt es ihr „Sauna-Kochbuch. Vom Aufguss zum Hochgenuss" auch in deutscher Übersetzung. Für Rezepte mit spezieller Saunagarzeit wie Auflauf, Schmorgericht oder Grillwürstchen sind sie quer durch Finnland gereist und haben von ihren Landsleuten passende Leckereien für gemeinsames Speisen- und Körpergaren gesammelt. Natürlich sorgte diese traditionelle Form der Niedriggarmethode in Gemeinschaft schon früher für eine möglichst hohe Ausnutzung von wertvollem Feuerholz.

Selbst im Angesicht der aktuellen Energiekrise machen diese Gedanken beinahe ohne schlechtes Gewissen Lust auf Saunaabende im Freundeskreis mitsamt Koch- und Schmortöpfen oder Auflaufformen und anschließend saunisch-leckerem 3-Gänge-Menü. Das Ganze eignet sich ebenso hervorragend als Teambelebungsmaßnahme nach Corona- und Homeoffice-Isolation. Hierzu lädt man (ein kleiner Seitenblick zu meiner Kollegin) idealerweise Kolleg:innen statt zur gemeinsamen Mittagspause oder einem Feierabendwein auf einen wohligen „Saunagargang“ ein, um mal wieder richtig durchgewärmt zu werden nach gemeinschaftlichem Frösteln im sparsam beheizten Büro.

Aktuell werden bereits im Bocholter Inselbad Bahia die Saunazeiten verkürzt. Sollten die Gaslieferungen aus Russland ganz entfallen, müsste das Bahia wahrscheinlich komplett schließen. Stattdessen wäre doch auch hier denkbar, dass in der kalten Jahreszeit der dauerfröstelnden Bevölkerung Zugang zur Sauna mit gefüllten Kochtöpfen gewährt würde – frei nach dem Motto „Wer Essen gart, darf selbst garen“. Nach dem Saunagang stünde dann bereits ein Hauptgang auf dem Tisch. Den Duftmix aus Eukalyptus und beispielsweise Rinderschmortopf stelle ich mir schon etwas gewöhnungsbedürftig vor, aber wer weiß, schwere Zeiten eröffnen auch die Bereitschaft zu vielleicht im besten Sinne ungewöhnlichen Alternativen – zumindest solange bis uns die nächste Mangellage überrollt.

Ich lade mich dann gleich mal bei meiner Kollegin ein auf ein zünftiges „Sauna-Irish-Stew“. Dazu passend wäre wohl ein Orangen-, Limetten- oder Minzaufguss denkbar und das Lammfleisch steuere ich als Energieausgleich bei. Da ist er ja schon, der herbeigesehnte Lichtstreif, da freue ich mich jetzt drauf!

Nadine Schober

Nadine Schober nahm über das Haldern-Pop-Festival 2006 Fühlung mit der Region auf. Zwei Jahre später startete sie nach ihrem Studium in Hamburg ihr Volontariat im Bocholter Textilmuseum. Nach gut einem Jahrzehnt hat sie dieses Fleckchen Erde zu schätzen gelernt. Vor allem Grenzregionen wecken das Interesse der Ethnologin. Die gebürtige Mecklenburgerin wagt dabei stets einen Blick über den Tellerrand. Ob Kulinarisches, sprachliche Eigenheiten oder Ökolandbau – ihre Interessen sind breit gefächert. Poetry Slam, Street Art und Flohmärkte lassen ihr Herz höherschlagen. Im kult Westmünsterland arbeitet sie im Archivteam des historischen Archivs und im Kreisarchiv Borken.

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