Es fing ganz harmlos an

von Martina Volmer

Kultur und Leben   Museum und Forschen

Sind Museumsleute auch in ihrer Freizeit Sammler:innen? Bei mir jedenfalls trifft es zu.Ich betreue nicht nur im kult die Sammlung des Hauses, nein, auch zuhause habe ich eine Sammlung. Es handelt sich dabei um alte Blechdosen.

Es fing alles vor langer Zeit ganz harmlos mit einem Flohmarktbesuch in Münster an. Ich bummelte an den Ständen entlang ohne eine bestimmte Kaufabsicht. Doch dann: In einer Grabbelkiste lag – halb versteckt – eine alte Blechdose, die mir auffiel. Rechteckig und golden erinnerte sie mich ein wenig an eine Schatztruhe. Auf die Frage, was sie denn kosten solle, hieß es „Eine Mark“. Ich weiß gar nicht mehr, ob ich die Dose noch auf die Hälfte herunterhandelte oder sie völlig verdutzt ob des geringen Preises gleich für den geforderten Betrag kaufte. Auf jeden Fall aber bildet diese Dose den Anfang meiner Sammelleidenschaft für alte Blechdosen. Seit diesem Tag schaue ich bei jedem Flohmarktbesuch nach interessanten Dosen. Dabei gehe ich nicht wissenschaftlich vor, sondern mein Interesse wecken Dosen, die mir persönlich gefallen. Dabei handelt es sich in erster Linie um Dosen mit exotischen Motiven, wie Palmen, Karawanen oder auch Segelschiffen. Zumeist finden sich diese Abbildungen auf Dosen, die von weit entfernten Gegenden hierher transportierte, empfindliche Handelswaren, sog. Kolonialwaren, wie Kaffee, Tee oder auch Tabak enthielten und so entwickelte sich der Schwerpunkt meiner Sammlung in diese Richtung. Auch bei Verwandten und Freunden sprach sich meine Sammelleidenschaft schnell herum und alle hielten für mich Ausschau nach den Objekten aus Blech. In vielen Haushalten standen noch Dosen herum, die inzwischen als Aufbewahrungsort für diverse Dinge dienten. Oft wurden sie nicht mehr benutzt und so kam ich in ihren Besitz. Auf Flohmärkten konnte ich in den folgenden Jahren zunächst noch recht günstig interessante Exemplare für meine Sammlung erwerben. Dabei hatte ich mir ein Limit gesetzt: Eine Dose sollte nicht teurer sein als eine DM, später ein Euro. Anfangs klappte das auch gut, denn wer wollte noch die alten Blechdosen, wo Plastikdosen doch viel moderner waren.

Aber allmählich kamen auch andere auf die Idee, alte Dosen zu sammeln und die Preise stiegen. Ich erhöhte mein Limit auf fünf Euro, aber immer seltener wurde ich fündig. Schöne Dosen dienten entweder als Kassendosen oder waren zu teuer. Trotzdem stieg die Anzahl der Dosen meiner Sammlung und sie nahm inzwischen auf einem extra gebauten Regal eine ganze Zimmerwand ein. Dort stehen Dosen aller Art, zum Beispiel Waschmitteldosen, Lebkuchendosen, ja sogar Dosen für Brühe, Körperpuder, Schuhcreme oder Eiweißpulver. Den Großteil meiner Sammlung aber machen Kaffeedosen aus. Im Laufe der Zeit versuchte ich, mich darauf zu spezialisieren. Hier gibt es eine Riesenauswahl: Kaffee wurde früher in Papiertüten und in Dosen verkauft und jedes Jahr zur Weihnachtszeit brachten die Kaffeefirmen eine besonders schöne Schmuckdose heraus. Dosen dienten nicht nur als Verpackung, sondern auch als Werbemittel. Die erste Blechdose soll 1810 von dem Briten Peter Durand entwickelt worden sein. Wurden vorher die Kolonialwaren lose in Tüten verkauft, so verpackte man sie nun in Dosen aus Weißblech. Darin war die Ware besser geschützt, eine bestimmte Menge wurde eingedost und musste nicht mehr im Laden abgewogen werden und das Ganze war noch mit Werbung für die eigene Marke auf der lithografisch bedruckten Dose versehen.

Überhaupt lässt sich auf diesen Dosen viel Spannendes entdecken: Handelt es sich zunächst um exotische Motive, die Tagträume zu den Fernen Orten wecken sollten, aus denen die Kolonialwaren stammten, so entwickelte sich die Dose im Laufe der Zeit weiter und passte sich dem Zeitgeschmack an. In den 1970er Jahren kamen zum Beispiel Dosen mit Blumen (ähnlich den ‚Prilblumen‘) in Mode. Der Kaffee wurde nun auch in zeitgemäßen Kunststoffdosen verkauft. Doch irgendwann endete die Ära der Kaffeedosen. Inzwischen wird Kaffee in Fertigpackungen verkauft. Nur zu Firmenjubiläen werden manchmal noch Dosen im Retro-Design wieder aufgelegt (und dann auf Flohmärkten fälschlich als „alt“ angeboten).

Inzwischen habe ich meine Sammelleidenschaft für alte Dosen weitgehend eingestellt. Der Bestand ist mittlerweile auf ca. 200 Exemplare angewachsen. Auf Flohmärkten schaue ich ab und zu noch nach alten Dosen, aber die Preise sind derart angestiegen, dass das Sammeln mir keinen Spaß mehr macht.

Dennoch bleibt die erste Dose meiner Sammlung für mich etwas Besonderes. Es handelt sich dabei übrigens um eine Kaffeedose aus den 1920er Jahren von Eduard Schopf, Bremen – besser bekannt unter dem Firmennamen Eduscho. Inzwischen wird diese 100 Jahre alte Dose hoch gehandelt. Mein erster Fund ist also doch eine Art kleine Schatztruhe.

Martina Volmer

Martina Volmer stammt aus Paderborn. Nach dem Studium der Geografie/Landschaftsökologie in Münster führte ihr Weg weiter westlich in den Kreis Borken mit seinen faszinierenden Moorlandschaften. Seit dem Jahr 2000 ist sie in Vreden, zunächst im Hamaland-Museum, jetzt im kult tätig. Hier digitalisiert sie die Museumssammlung. Wenn der Garten noch Zeit für andere Hobbies übriglässt, dann ist sie mit Vorliebe in der Natur unterwegs, wo sie Wanderungen unternimmt und fotografiert. Auf Reisen lernt sie gern andere Landschaften kennen. Auch Flohmärkte oder Gartenmessen werden mit Interesse durchstöbert. Allerdings verbringt sie ihre Freizeit auch gern zuhause mit einem guten Buch und einem leckeren Tee dazu. 

Weiterlesen: